IM SCHÜTZENGRABEN mit „Solidarity Collectives“
https://stopwarpropaganda.noblogs.org/post/2023/09/22/im-schutzengraben-mit-solidarity-collectives/
Posted on 2023/09/22 by stopwarpropaganda
Dass die AfD in Deutschland über ein Plakat kotzt, das ein Symbol der alten Bewegung gegen Kriegsdienste aufgreift, auf dem ein Gewehr zerbrochen wird, ist schnell klar. Man(n) steht auf Seiten einer Diktatur, die gegen ein anderes Land, die Ukraine, einen Angriffskrieg führt. Eine Diktatur, die man hier auch gerne errichten würde. Und zur Abwehr von Flüchtlingen braucht das „Europa der Vaterländer“ was wohl? Richtig; Militär.
Dass autoritäre Kommunist*innen gegen ein Plakat sind, das sich „Gegen jeden Krieg“ positioniert, dürfte auch schnell einleuchten. Wer für einen sozialistischen Staat ist, braucht Repressionsstrukturen und natürlich auch ein Militär. Außerdem ist für die Freunde der untergegangenen Sowjetunion nebst der DDR der kriegsrechtfertigende Hauptfeind immer noch und bis in alle Ewigkeiten die NATO. Der Angriff Russlands auf die Ukraine wird folglich als gerechtfertigter Krieg umgedeutet.
Dass die deutschen Grünen gegen ein Plakat sind, das sich antimilitaristisch positioniert und einen zerstörten Panzer abbildet, ist auch klar. Die von der Macht korrumpierten Grünen gehen über Leichen. Das war im Kosovokrieg so, das ist jetzt auch nicht anders. 100 Milliarden für Waffen wurden von einer Regierung durchgewunken, in der die Grünen das Außen- und das Wirtschaftsministerium stellen. Die Abwehr der russischen Aggression führt diese Partei wieder in den gerechten Krieg, an der Seite der NATO.
Soweit, so klar.
Dass aber auf einem anarchistischen Treffen eben dieses Plakat, auf welchem „Für eine antifaschistische und antipatriarchale Antikriegsbewegung“ geworben wird, von teilnehmenden Menschen herunter gerissen wurde, das ist erstaunlich.
Wir spoilern: Wer das Aufhängen des oben beschriebenen
Plakats auf einem anarchistischen Treffen als Angriff umdeutet, sich der
anschließenden Diskussion um den Unterschied zwischen Krieg und
sozialer Revolution verweigert, und Antimilitarist*innen körperlich
angeht, hat auf keinem anarchistischen Treffen etwas zu suchen. Der*die
positioniert sich als Feind*in eines Anarchismus, der historisch
Kadavergehorsam, Obrigkeit, Befehl und Gehorsam, Militär, Vergewaltigung
und Nationalismus, Mord aus niederen Beweggründen und Militarisierung
ablehnt. Der versucht, den antiautoritären Charakter einer
anarchistischen Praxis in die Schützengräben zu treiben.
Wer
es nicht aushält, wenn Menschen das Sammeln von Geldern für Ausrüstung
und Waffen für militarisierte Männer, sprich Soldaten unter anderem in
den Schützengräben, ablehnen, der hat gebrochen mit dem Anarchismus. Wir
reden hier konkret von „Solidarity Collectives“ und deren Umfeld.
Und es ist unerheblich, ob es sich um jene handelt, die ihre
„Betroffenheit“ als subjektivistische Begründung für eine militarisierte
Position vor sich her schieben, um damit anarchistische Positionen
abzuwürgen. Oder ob es sich um jene handeln, die sie aus einem schrägen,
identitären Verständnis von “Solidarität“ bedingungslos und unterwürfig
die „Betroffenen“ unterstützen.
Wir finden deren
Positionen in der WOZ wieder, einer alternativen, in Richtung
sozialdemokratisch tendierenden, schweizerischen Wochenzeitung. Oder in
den Katakomben und Blasen der Szenetreffs oder in hippen Cafes der
akademischen linken Bourgeoisie.
Auf den Punkt
gebracht hat die Kritik an „Solidarity Collectives“ zum Beispiel bereits
eine Gruppe, die eine Absage der Teilnahme am ABC-Festes in Wien
anlässlich der Teilnahme von „Solidarity Collectives“ formulierte (u.a.
in Autonomes Blättchen No. 53, Seite 52).
Nun kann sich Eine zu Recht fragen: Warum an Menschen abarbeiten, die eine militarisierte Position vertreten?
Vielleicht, weil es jeder Mensch wert ist, nicht in den realen oder ideologischen Schützengräben zu landen?
Vielleicht, weil wir nicht brechen wollen mit Menschen, um die wir es wert finden zu kämpfen?
Vielleicht,
weil wir andere Mittel gegen Krieg zur Hand haben, als den Militarismus
und die Militarisierung der männlichen Psyche – denn es sind vorwiegend
Männer, die gerade in den Schützengräben als „Anarchisten“ liegen(die
Ausnahmen bestimmen die Regel). Und es sind auch viele Frauen, die diese
lautstark unterstützen. Die „Propaganda der Tat“ ist für diese Menschen
gerade nationalistische, staatliche Landesverteidigung zu propagieren
und umzusetzen.
Warum sich also abarbeiten?
Vielleicht,
weil der Feminismus schon mal weiter war, was die Analyse von Militär,
Krieg, Vergewaltigung und Patriarchat betrifft.
Vielleicht,
weil wir etwas zu verteidigen haben; Eine Zukunft, die Militär nicht
braucht und nicht die patriarchale Scheiße in ständig neuem Gewandt
wieder und wieder aufkocht.
Vielleicht, weil wir
letztlich nicht hinnehmen, dass sich momentan Patriarchat und
Militarismus neu formieren, sowohl in der Gesellschaft als auch in der
Blase der identitären Anarchist*innen.
Viele haben mit
dem „Solidarity Collectives“ und ihrem Umfeld abgeschlossen. Zu Recht
finden wir. Wir aber haben bisher diese Menschen, bei allen
Widersprüchen, als Teil einer anarchistischen Bewegung wahrgenommen. An
diesen Ansprüchen messen wir sie.
Und so nehmen wir
einen Vorfall und Übergriff in St. Imier und dessen Rezeption von
Kriegsbefürworter*innen in den sozialen Medien und in der WOZ und in der
taz nicht hin und zum Anlass, auch daran unsere Position zu
verdeutlichen.
Kein Fußbreit dem Militarismus! Kein Frieden für Kriegsbefürworter*innen auf allen Seiten der Front. Gegen jeden Krieg!
Zum Vorfall und Übergriff in St. Imier
Wir befinden uns auf dem anarchistischen Treffen in St. Imier
2023. Über 4000 Besucher*innen. Mehrere hundert Workshops, spannende
Diskussionen und Begegnungen. Organisatorisch eine großartige Leistung!
(auch wenn die Orga irgendwann überfordert wurde mit den Konflikten
entlang von Queerness, Kolonialismus, Islamophobie und natürlich der
Frage von Krieg und Militarisierung).
Unser Bericht
beschreibt die Veranstaltung des „Solidarity Collectives“ zum Thema:
“Anarchisten im Krieg: Kritische Analyse der Solidarität im Kontext des
Krieges in der Ukraine“.
Der „Saal des Spektakels“ war ungefähr gefüllt mit um die 150 Menschen. Auf dem Podium saßen bereits die Veranstalter*innen, unter anderem eine Journalistin der WOZ, von der noch später die Rede ist. Direkt am Eingang hatte „Solidarity Collectives“ einen Stand mit Merchandising aufgebaut. (3000,- Euro sind insgesamt am Ende des Treffens in St. Imier in die Kriegskasse von „Solidarity Collectives“ gespült worden, um u.a. die Soldaten an der Front in der Ukraine zu versorgen.)
Als ein Mensch das Plakat „Gegen jeden Krieg“ an einem eigens herbeigetragenen Tisch abseits des Merchandisingstands aufhängte, wurde damit eine Lawine losgetreten, die das ganze Dilemma militarisierter Praxis aufzeigt. Denn all jene, die den russischen Angriffskrieg in der Ukraine in klassischer Kriegslogik beantworten wollen, müssen zwangsläufig jede grundsätzliche antimilitaristische Perspektive verteufeln, damit ihr eigenes Selbstverständnis nicht ins Wanken gerät. Dies zeigt auf, in welche Sackgasse sich „Solidarity Collectives“ bereits hinein manövriert hat.
Denn kaum hatte die Person das Plakat „Gegen jeden Krieg“ (siehe Anhang) aufgehängt, da stürmte ein aggressiver Jungmann vom Merchandisingensstand herbei und forderte die Transgenderperson auf, das Plakat abzunehmen und zu verschwinden. Allen Ernstes glaubte der aggressive Jungmann eigenmächtig Anarchist*innen des Raumes verweisen zu können. Die Transperson sagte ihm, dass sie nicht gehen werde und dass das Plakat hier hängen bliebe und wie er dazu käme über die Anwesenheit von Menschen zu entscheiden. Der Typ fing sofort an laut zu werden, seine Körpersprache war gewalttätig und er machte überhaupt keine Anstalten irgendwie zu argumentieren. Stattdessen riss er das angeklebte Plakat ab und schrie, dass die Person mit den Plakaten verschwinden solle und bedrohte sie körperlich.
Plakat: https://de.indymedia.org/sites/default/files/2023/08/94445.jpeg
Nun gibt es im Feminismus einige Binsenweisheiten. Wenn Du angegriffen wirst, rufe um Hilfe, um eine Situationsveränderung herbeizuführen und den Angriff aus der „Privatheit“ herauszuholen und Gewalttätigkeit durch lautes Rufen sichtbar zu machen. Lautes Rufen stellt Öffentlichkeit her, die eine schützende Wirkung hat oder haben kann. Genau so verhielt sich die Transperson. Sie eskalierte nicht die Situation, sie machte sie öffentlich.
Sie nahm ein weiteres Plakat vom Tisch, hielt es in den Raum Richtung
Podium und rief laut und für alle hörbar in den Saal, dass sie
angegriffen werde, dass man dieses Plakate heruntergerissen habe, dass
das nicht gehe und rief um Hilfe.
Das Podium eilte der
Angegriffenen verbal nicht zur Hilfe, sondern verweigerte sie. Eine
Frau vom Podium von ABC-Dresden deutete den Vorfall sogar um und
forderte auf, die „Störung“ zu unterlassen.
Es bildete sich schnell eine Traube um den kleinen Stehtisch herum und auch andere Menschen von „Solidarity Collectives“ griffen die Transperson verbal und körperlich an. Sie rissen Plakate vom Tisch, beschimpften die Aufhängerin des Plakates als Deutsche, „die hier nichts zu sagen hätte“. Die Angegriffene reagierte mit; „Ich bin nicht deutsch, ich bin arabisch.“ „Aber Du lebst in Deutschland.“, war die Antwort einer Frau aus der Ukraine, die später auch auf dem Podium sitzen sollte. Nationalistische, reaktionäre Zuschreibungen waren nun das Letzte, was eine auf einem Anarchistischen Treffen erwartet hätte. Einer der Angreifer trug ein T-Shirt von „Solidarity Collectives“ mit einer Kalaschnikow und so verhielt er sich auch, indem er der erste war, der die Plakate vom Tisch riss.
Nun kamen aber auch andere Menschen aus dem Publikum und eilten der
Angegriffenen zur Hilfe und intervenierten, wieso sie da nicht mit den
Plakaten stehen dürfe. Nur die Öffentlichkeit und das Eingreifen anderer
Menschen schützte vor weiteren körperlichen Übergriffen.
Eine
Frau von der Gesamtorga stellte sich zwischen die aggressive Meute, gab
sich als Orgafrau zu erkennen und versuchte zu vermitteln. Sie forderte
die Angegriffene auf, das Plakat einzupacken, und nahm die Position der
Angreifer ein. Die Angegriffene erwiderte, dass das überhaupt nicht
einzusehen sei, schließlich sei das ein Antikriegsplakat und das müsse
hier ausgehalten werden. Dann beschuldigte man die Angegriffene, sie
hätte die Plakate auf den Tisch von „Solidarity Collectives“ geworfen,
was laut Transperson totaler Quatsch war, sie hätte den runden
Ständertisch selber aus einem tiefer gelegenen Stockwerk hochgeschleppt
und zwei Meter von deren Tisch entfernt aufgestellt, um gerade nicht mit
einer militarisierten Position in Verbindung gebracht zu werden.
Das Podium versagte politisch. Dass sich einzelne Frauen des Podiums im späteren Verlauf zum Teil als feministisch darstellten aber keine Anstalten machten den militarisierten Mann von „Solidarity Collectives“ zurecht zu weisen, obwohl toxische Männlichkeit eines der Probleme ist, mit dem sich Feminist*innen in der Regel herumschlagen müssen, spricht Bände über das taktische Einsetzen des Feminismus zur Begründung der eigenen Militarisierung im Ukrainekonflikt.
Dann kam ein Mensch, der als eine treibende Kraft hinter „Solidarity
Collectives“ bekannt ist und nachher als Boris von ABC-Belarus auf dem
Podium sitzen sollte (kleine Polemik am Rande: obwohl auch er schon seit
geraumer Zeit in Deutschland wohnt) und schlug ebenfalls vor, die
Plakate im Foyer unten auszulegen, um anfangen zu können.
Da
es ja um eine kritische Bewertung der Solidaritätsarbeit in Bezug zur
Ukraine gehen sollte und nicht darum, einen transphoben Übergriffe von
von testosterongesteuerten patriarchalen Männern abzuwehren, packte die
Transperson die Plakate ein und der Tumult löste sich auf.
Doch dieser denkwürdige Übergriff fasste eigentlich schon die ganze
Problematik zusammen. Ein Plakat „Gegen jeden Krieg“, das aus einer
queeren, antimilitaristischen, anarchistischen, migrantischen und
feministischen Position kommt, wurde von Menschen zensiert und als
Provokation empfunden, weil es ihre militarisierte Position und
Identitätspolitik zum Angriffskrieg Russland gegen die Ukraine in Frage
stellt. Die Plakate wurden bereits schon Tage vorher in St. Imier von
dem Umfeld von „Solidarity Collectives“ immer wieder abgerissen.
Über
den oben beschriebenen Vorfall wurde ein falsches unvollständiges
Narrativ verbreitet, unter anderem von der WOZ, über das noch weiter
unten genauer zu reden sein wird.
Im weiteren Verlauf der Veranstaltung sah sich die Podiumsfrau, die anfangs der Transperson wegen deren Herkunft den Mund verboten hatte, emotional nicht imstande, das Podium zu besetzen. Nachdem die Menschen von „Solidarity Collectives“ mit ihr geredet hatten, nahm sie auf dem Podium Platz und die Veranstaltung konnte beginnen. Zu ihr sei gesagt, dass sie in Bezug auf den Vorfall zurückruderte und auf dem Podium sagte, dass sie überreagiert habe, um dann aber hinzuzufügen, das gehe ihr so immer, wenn Ukrainerinnen angegriffen würden. Was zu keinem Zeitpunkt stattgefunden hatte.
Nachdem das Podium drei Runden zu verschiedenen Fragestellungen
absolviert hatte, konnte das Publikum Nachfragen stellen, Anmerkungen
machen oder auch Kritik äußern. Doch Kritik schien nur vordergründig
erwünscht, sobald diese inhaltlich tiefer wurde, wurde zum Beispiel
einer älteren italienischen Anarchistin versucht, das Mikrophon aus der
Hand zu nehmen. Diese ließ sich aber nicht mundtot machen und hielt in
der einen Hand das Sauerstoffgerät zu ihrer Atemversorgung fest und in
der anderen das Mikro. Also stoppte man die Übersetzung ihres Beitrages.
Auch
hier sprang der militarisierte Mann ein und rannte die zehn Stuhlreihen
nach vorne und sah zum Schlagen bereit aus, zumindest vermittelte das
seine Körpersprache, als es gegen einen anderen italienischen Aktivisten
der anarchistischen Föderation ging, der sich aus dem Saal zurückzog
aufgrund des Übergriffes.
Bevor aber die Diskussion losging wurde schon mal der Rahmen gesteckt:
„Hier
wird heute nicht über Antimilitarismus geredet. Über Antimilitarismus
reden wäre Zensur, weil es hier nur um die Perspektive der Betroffenen
geht.“; so die Moderation. Zur Erinnerung; wir reden über einen
anarchistischen Kongress und über eine Veranstaltung zum Krieg in der
Ukraine. Aus diesem Satz spricht die Angst vor inhaltlicher
Konfrontation und ein identitärer Konformismus zugunsten der politischen
Linie von ABC-Dresden. Hier wurde der Zensur das Wort geredet, bevor
die Anarchie sich zu Wort melden konnte.
In der Folge wurden kritische Nachfragen mit Polemiken abgewehrt oder es wurde darauf nicht eingegangen.
Im weiteren Verlauf wurde vom Podium und aus dem Publikum aber ständig Bezug genommen auf den Vorfall zu Beginn und die Plakatperson als Störfaktor diffamiert. Als diese Stellung beziehen wollte und um das Mikro bat, fiel auf, wie die Frau von der Gesamtorga von St. Imier, die den sich Meldenden im Publikum das Micro zukommen ließ , nun um die betroffene Transgenderperson herummoderierte. Sie machte die Redner*innenliste nach machtpolitischen Gesichtspunkten. Alle sich Meldenden bekamen das Mikro, nur nicht die sich meldenden Transperson. Diese intervenierte so lange beim Mikroträger, lehnte dessen Redebeschränkungen ab, was sie sagen dürfte und was nicht, bis sie dann endlich in Rücksprache des Mikroträgers mit der Orgafrau Redemöglichkeit bekam.
Zuerst bedankte sich die Person bei den russischen und ukrainischen Statements vom Podium. Dann ergänzte sie noch in, bei uns hängengebliebenem ungefährem Wortlaut: „Wir wollen die Erfahrungen von Euch und Eure Sichtweisen hören. Wir wollen auch, dass die Menschen in Russland und Belarus, die gegen das Regime kämpfen, aus dem Knast kommen, wie überall. Das steht gar nicht in Frage. Aber das Plakat, das hier ausgehängt wird, ist keine Provokation und keine Störung. Hier wurde behauptet, wir seien zum Stören gekommen. Das ist eine Lüge. Ich wurde hier körperlich angegriffen, weil ich dieses Plakat aufgehängt habe. Das geht nicht. Ein solches Plakat müsst Ihr einfach aushalten.“ Bezogen auf ein Statement vom Podium („wir sind offen für andere Perspektiven“) sagte die Person in ungefährem Wortlaut: „Wir müssen aber über inhaltliche Differenzen reden. Anarchisten haben aus unserer Sicht nichts in Uniformen zu suchen, nicht als Soldaten, nicht an der Waffe eines Militärs. Wir unterscheiden zwischen Militarisierung und Krieg und sozialer Revolution und Selbstverteidigung.“
Boris von „ABC Belarus/Dresden“ kommentierte den Beitrag: „zwischen Krieg und sozialer Revolution unterscheiden“ mit dem Satz: „geh doch nach Russland und mach dort soziale Revolution, oder nach Belarus“ und wischte jeden Brückenbau zu einer Diskussion weg. Für uns ist diese Art der Erwiderung eine taktische Abwertung/Abwehrung, um sich einer kritischen Diskussion zu entziehen.
Die Betroffene berichtete später, wie sie einen Tag danach angesprochen wurde von einer Frau aus Deutschland: „Ihr habt jetzt mindestens sieben Mal Veranstaltungen von „Solidarity Collectives“ gestört. Warum?“ Die Betroffene erwiderte: „Ich habe nicht gestört.“ Die Frau: „Warum gehst Du nicht nach Russland, geh doch nach Belarus.“ Auf dem Niveau lässt sich nicht mehr reden. („Geh doch nach drüben“ hieß das in den 80ern gegen westdeutsche Linke).
Wenn ein Plakat mit einem antimilitaristischen Inhalt auf
einem anarchistischen Kongress so einen Sturm auslöst, war es zur
richtigen Zeit am richtigen Ort. Der damit deutlich gewordene Skandal
und Übergriff besteht darin, dass Kriegsbefürworter*innen einen
anarchistischen Kongress als Ort nutzen, um Gelder für die Front zu
sammeln und ihre militaristische Propaganda in die anarchistische Szene
einstreuen. Der Übergriff besteht darin, eine Person anzugreifen, die im
Sinne des Anarchismus ein Plakat aufhängt.
Das
Abreißen des Plakat und der Angriff auf die aufhängende Person wurde von
der gesamten Struktur von „Solidarity Colletives“ mitgetragen. Die
Gruppe hat sich dadurch selbst disqualifiziert. Die Verdrehung von
Angreifern und Angegriffenen ist die übliche Umkehrung des
Täter-Opfer-Diskurses, um von der eigenen Gewaltausübung abzulenken.
Wir fordern:
Erstens:
Eine öffentliche Entschuldigung von „Solidarity Collectives“ bei der Transperson für den Übergriff.
Zweitens:
Wir fordern „Solidarity
Collectives“ auf, die Unterstützung von Soldaten an der Front
einzustellen und alle Anarchist*innen aus den Schützengräben
rauszuholen. Uns ist klar, dass das nicht sofort geht, vor allem, wenn
ein verpflichtender Militärvertrag besteht. Aber dazu fordern wir die
Diskussion ein.
(Anarchist*innen haben nichts im Schützengraben nationalstaatlicher Militärs zu suchen – oder sie sind keine mehr. Für uns sind die Menschen in den Schützengräben keine „Comrades“ sondern Soldaten, die wir aus beiden Seiten der Front rausholen und für die soziale Revolution gewinnen müssen. Der ständige Vergleich zu Spanien und den anarchistischen Milizen ist gerade das Gegenbeispiel zur Ukraine. Die Milizen kämpften ohne feste Befehlsstrukturen auf der Basis der Freiwilligkeit und für die soziale Revolution. Die Ukraine befindet sich in einem Krieg, die Soldaten können nicht einfach die Front verlassen oder als Männer ausreisen aus der Ukraine. Das ist ein militarisiertes Zwangsverhältnis, festgemacht am Körper. Antifeministischer geht’s nicht. Und darüber können auch Frauen im Militär nicht hinwegtäuschen.)
Drittens:
Wir fordern die WOZ auf,
die Lüge der beiden Journalisten Kaspar Surber und Anna Jikhareva
(siehe Ende diesen Beitrages) einzuräumen und kenntlich zu machen und
der Wahrheit Platz einzuräumen über den oben beschriebenen Vorgang.
Alle,
die unsere Kritik teilen werden gebeten diese Forderung massiv an die
WOZ und deren Umfeld heranzutragen. Bitte sendet Mails, sprecht mit
allen Mitarbeiter*innen der WOZ. Wir wollen eine antimilitaristische WOZ
und nicht ein Mittelstandsblatt, das dem Militarismus Tür und Tor
öffnet.
Viertens:
Wir fordern
anarchistische Strukturen auf, nicht nur in der Beobachter*innenposition
zu verharren, sondern sich zu diesem und anderen Kriegen jenseits der
Kriegslogik und den Polarisierungen zu verhalten.Im Sinne des Plakates
fordern wir eine selbstbewusste radikale Antikriegsbewegung gegen jeden
Krieg ein, die den autoritären Kommunist*innen, der AfD, den Grünen und
der Pro-NATO-Position, den Islamisten, etc. das Wasser abgräbt und vor
allem andere Perspektiven aufzeigt und umsetzt. Resignation und Ohnmacht
spielt nur der Kriegslogik in die Hände
Fünftens:
Wenn
es Leute gibt, die Geld sammeln für Waffen und militärische Ausrüstung
von „Comrades“ in der Ukraine, fordert sie auf, selbst in die
Schützengräben zu steigen. Wer Geld sammelt und andere krepieren oder
morden lässt, verdient die Uniform, die Waffe und muss an die Front. Die
Bellizist*innen auf allen Seiten, die mit Text und Partys(!) Gelder
akquirieren, sich vermeintlich die Hände nicht schmutzig machen und die
andere krepieren lassen, kotzen und widern uns an. Sorry, aber so krass
muss das mal ausgesprochen werden.
Sechstens:
Wir haben nicht nur das
Recht „Solidarity Collectives“ für ihre militaristische,
nationalistische, patriarchale derzeitige Praxis zu kritisieren, sondern
wir haben auch die Verantwortung dazu. Der Anarchismus ist in seinen
gewaltfreien bis bewaffneten sozialrevolutionären Ausprägungen und in
seinen politischen Organsiationsformen, von Individualanarchist*innen
bis hin zu Syndikalismus immer unterschiedlich gewesen. Die Ablehnung
von Herrschaft, Staat, Militär und Krieg waren und bleiben klare
Bezugspunkte. Wer Staat, Militär und Krieg und somit Herrschaft das Wort
redet ist alles mögliche, aber kein*e Anarchist*in mehr.
Die
politische Tragödie, die wir in der derzeitigen Ausrichtung von
„Solidarity Collectives“ sehen, verdringlicht es für uns, den Grundsatz
„Gegen jeden Krieg“ praktisch werden zu lassen. „Blockieren,
boykottieren, desertieren, sabotieren“ steht auf dem Plakat. Zum Teil
wird dies bereits getan. So geht es um die Unterstützung von Deserteuren
aller Fronten und Fluchthilfe z.B. von BIPoCs aus der Ukraine und auch
von kriegsmüden Männern. Doch da ist noch Luft nach oben. Zum Beispiel
für antimilitaristische Arbeit in die Reihe der Militärs hinein. Und
Blockaden vor Waffenschmieden. Besetzung von Truppenübungsplätzen.
Anpöbeln von Soldat*innen in der Öffentlichkeit. Störung von
Gelöbnissen….
Siebtens:
Wenn „Solidarity
Collectives“ weiterhin Geld für Waffen und Ausrüstung an die Front, an
Soldaten schickt, die in einer Verteidigungslinie mit ukrainischen
Faschos stehen, die sich einem Militär und staatlicher Verfügungsgewalt
unterstellen, dann fordern wir die gesamte antiautoritäre,
anarchistische und queer-feminstische Szene auf, „Solidarity
Collectives“ und deren Umfeld weder Orte noch Strukturen zu stellen.
Weiterhin
fordern wir auf, alle Veranstaltungen von „Solidarity Collectives“ zu
besuchen, dort die Diskussion einzufordern. Wir fordern auf, kein Geld
mehr zu spenden sondern es Gruppen zur Verfügung zu stellen, die
weltweit Deserteure unterstützen.
Anarchist*innen
Nun
noch ein paar Worte Zur WOZ Nr.31 3 August 2023 „Im Zweifel für die
Praxis“. Nachgedruckt in der taz unter dem Titel „Anständiger
Anarchismus“
Geschrieben haben den Artikel : Kaspar Surber und Anna Jikhareva.
Wie die Zensur des Plakates und dessen publizistisches Narrativ Hand in Hand gehen:
Wider
besseren Wissens bediente die WOZ aus taktischen und ideologischen
Gründen in oben genanntem Artikel zum Anarchistischen Kongress in St.
Imier ein Narrative, das die Leader um „Solidatity Collectives“ in die
Welt setzten. Das vor sich her getragene Bekenntnis „wir als
privilegierte Menschen“ müssen den „Betroffenen zuhören und dürfen
nichts in Frage stellen, was die Betroffenen sagen“ ist eine
Bankrotterklärung des Politischen.
Der Vorfall des
Übergriffes gegen die Transperson, die Zensur eines simplen,
selbstverständlichen antimilitaristischen Plakates in St. Imier, die
Kumpanei des Plenums von „Solidartity Collectives“ mit dem Angreifer auf
die Transperson auf dem Anarchistischen Kongress machte die WOZ dagegen
nicht zum Thema.
Dem Anarchsimus aber sind Werte zu
eigen, die umfassende Herrschaftsfreiheit implizieren. So einfach ist
das. Wenn WOZ-Redakteur*innen dem Militarismus eine Lanze brechen
wollen, dürfen sie das gerne tun, aber auf einem anarchistischen Treffen
haben sie nichts zu suchen. Sie tarnen sich als Anarchist*innen (oder
als der Bewegung zugehörige Menschen) ohne welche zu sein. Sie wanzen
sich an soziale Bewegungen ran, ohne dazu ein Verhältnis zu haben, sie
saugen von der Existenz des anarchistischen Widerstandes, weil wir ihr
Job sind, sie betreiben Karriere und vergiften mit Artikeln eine Welt,
die sich radikal jedwedem Militarismus verweigern müsste.
Wie machen die beiden Schreibtischtäter*innen das? Die WOZ leitet zu dem oben von uns beschriebenen Vorfall folgenderweise ein:
„Wie
arrogant die westliche Weltsicht auch unter Anarchist:innen sein kann,
müssen insbesondere Teilnehmer:innen aus Russland, Belarus und der
Ukraine erfahren. An praktisch jedem Workshop kommt es zu Belehrungen
über den wahren Antimiltarismus.“
Das ist natürlich
albern, weil es die Ukrainer*innen, die Russ*innen , die Belarus*innen
nicht gibt. Ein identitäres und nationalistisches Konstrukt bedient
Zuschreibungen, die jede*r zum Beispiel Ukrainer*in unterstellen die
gleiche Position zu haben. Bloß weil die einen lauter sind, sind ihre
Positionen nicht richtiger als andere, die es auch gibt und die sich dem
Zwang entziehen dem ukrainischen Nationalismus und der Militarisierung
das Wort zu reden.
Und um diese Einleitung, die nicht
der Realität in St. Imier entsprach, zu untermauern, kommt jetzt der
Vorfall: „So lässt sich eine Teilnehmerin aus Deutschland auch an einem
Podium zu anarchistischen Positionen zum Krieg nicht nehmen, als Erstes
lautstark ein Plakat mit dem Slogan „Gegen jeden Krieg“ anzubringen.“
Davon
abgesehen, dass das Podium von dem Aufhängen des Plakates völlig
unberührt war, weil das Plakat am Ausgang des Raumes aufgehängt wurde
und zum Podium mindestens zehn Stuhlreihen dazwischen lagen, ist es
aberwitzig, ein antimilitaristisches Plakat zu skandalisieren, was auf
einem Podium zu anarchistischen Positionen zum Krieg“ (WOZ) aufgehängt
wurde. Wie blöd muss man sein, so etwas Absurdes zu schreiben, wenn es
nicht um was ganz anderes geht. Es dreht sich darum, ein
antimilitaristisches Plakat als solches schon zu einer Störung
umzudeuten – weil es eine promilitarisierte Auseinandersetzung und eine
identitäre, nationalistische Haltung grundlegend in Frage stellt. Die
Existenz eines solchen Plakates, und das ist die bedeutsame Information
für uns Anarchist*innen, ist für Einige schon eine ernsthafte Störung
und Provokation, die zensiert, unsichtbar und letztlich ausgemerzt
werden soll. Weil die Parole „Gegen jeden Krieg“ die Kraft hat, die
Befürworter*innen von Militarisierung, Kriegslogik und letztlich Krieg
zu entlarven, weil sie als „Angriff“ empfunden wird und genauso darauf
reagiert wird. Mit Zensur.
Für uns bestätigt sich einmal mehr, diese Leute aus
anarchistischen Strukturen auszuschließen, wenn sie ihre fortschreitende
Militarisierung nicht unterbrechen.
Die WOZ auf
jeden Fall, hat sich in diesem Fall mehr als daneben verhalten, sie
lügt, und verdeckt den Übergriff.Und trägt ihn somit mit. Beide
Journalist*innen gehören aus unseren Orten rausgeschmissen, wenn sie
ihre Lügen nicht öffentlich zurücknehmen.
Ein weiteres pikantes Detail: Auf dem Podium saß eine Journalistin
der WOZ! Diese wird selbstredend von Kaspar Surber zitiert. Ohne ihre
Funktion kenntlich zu machen. Hier wird die Medienmacht manipulativ
eingesetzt, um Meinungen zu erzeugen. Man besetzt Podien mit Positionen,
die einem genehm sind und zitiert vermeintlich neutral von diesen
Menschen, die hier auch noch als „Betroffene“ eine exklusive
Sprechposition verkörpern sollen, um dem gesagten mehr Gewicht zu geben.
(Es würde nicht verwundern wenn die Journalistin Anna Jikhareva, die
den Artikel mit Kaspar geschrieben hat, sogar identisch mit der WOZ-Frau
auf dem Podium war)
Dem Schreibtisch-Bellizisten scheint jedes schäbige Mittel recht um die Diskurshoheit in der Linken über den Krieg zu erlangen.
Der Anarchismus hat schon viele Wirrungen überstanden, er
wird auch diese kriegslogikgeleitete Auslegung durch „Solidarity
Collectives“ hinter sich lassen.